"Verschlingt Raoul"
Liebevoll
Musical erfreuen sich ungebrochener Beliebtheit und werdeb dabei immer gigantomanischer. Die zugrunde
                    liegende Idee einer Show aber ist oft völlig egal; vertanzt und besungen wird, was verkauft werden
                    kann. Und doch gab es immer wieder Ausreißer, die sich aus der Masse der tumben Spektakel abhoben
                    und Fetischobjekt wurden. "Rocky Horror Show" oder "Little Shop of Horror" sind Beispiele. Das
                    Absurde und Groteske grinst dem Biedermann hier ins Gesicht. Genauso funktioniert "Verschlingt
                    Raoul", das Musical, das auf dem Film "Eating Raoul" von US-Regisseur Paul Bartel basiert. Es ist
                    derzeit unter der Regie von Thorsten Schmidt als Jubiläumsproduktion des Ensembles "Show Ab" im
                    Spectaculum Mundi zu sehen: Ein prüdes aus dem Los Angeles der achtziger Jahre träumt darin vom
                    sündenfreien Leben auf dem Land. Doch bei der Geldbeschaffung für den Lebenstraum bewahrheitet sich
                    der Slogan "Sex sells": Paul und Mary geraten in die Untiefen der amerikanischen Lack- und
                    Lederszene und können sich nur durch Bratpfannen-Morde und die Hilfe des Kleinkriminellen Raoul
                    daraus befreien.
                    Vor 20 Jahren gründete Schmidt die Gruppe "Show Ab", um in München Musicalproduktionen von hohem
                    Amateurniveau zeigen zu können. Genau das ist ihm gelungen. Nach anfänglicher Nervosität erfreuen
                    Gesang, Tanz und originelle szenische Einfälle alle Gegner liebloser Hallenevents. Darsteller wie
                    Petra Oppermann als Mauerblümchen Mary oder Tobias Gasser als rassiger Latino Raoul lassen
                    vergessen, dass etwas Staub auf der Story von 1982 liegt. Tagesaktualität ist im Musical kein
                    Kriterium, hier werden Parallelwelten zu (Alb-)Träumen. Leidenschaft und Präzision verleihen
                    "Verschlingt Raoul" wenn schon keine Überzeitlichkeit, dann doch den Charme einer
                    Broadway-Low-Budget-Produktion.
Petra Schönhofer